Interview mit Rolf zum WUD 2014 in Hamburg

World Usability Day in Hamburg

Engagement:
Service-Design zwischen Nutzerfreundlichkeit und Weltverbesserung

rolf

Am 13.11.2014 findet zum zehnten Mal der World Usability Day statt. Seit 9 Jahren ist eparo an der Organisation beteiligt. Beate hat Rolf im Vorfeld zum kommenden WUD in Hamburg interviewt:

Beate: Zum neunten Mal in Folge veranstaltet eparo den WUD. Was hat sich im Laufe der Jahre verändert?

Rolf: Zuerst einmal: Wir sind zwar seit neun Jahren dabei, allerdings erst seit 2010 quasi als Alleinveranstalter. In den ersten Jahren gab es ein relativ großes Organisationsteam, natürlich mit den üblichen Abstimmungsproblemen. Das ist nach und nach weggebröckelt. Seit vier Jahren organisieren wir den WUD jetzt direkt über eparo. So haben wir zwar mehr Arbeit, aber nicht mehr diese Abstimmungsmeetings im Projektteam. Das spart viel Zeit.
Was sich auch geändert hat, ist die "Location". Anfangs waren wir immer in den alten Räumen der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) am Berliner Tor. Dort gab es zwei große Hörsäle mit jeweils 100 Plätzen. Seit drei Jahren sind wir an der Finkenau. Dort es ist schöner, aber räumlich etwas beengter. Inzwischen sind auch die Workshops am Vormittag zu einem unverzichtbaren Bestandteil des WUD geworden. Die sind eigentlich in jedem Jahr ausgebucht. Vermutlich, weil sie immer sehr praxisorientiert, nützlich und umsonst sind.
Insgesamt ist der WUD auch populärer geworden. Die Events überall in Deutschland sind im Laufe der letzten Jahre größer und professioneller geworden.

Beate: Und das Publikum? Sind es immer dieselben Leute aus der UX und IT-Szene? Oder wen erwartest du in diesem Jahr?

Rolf: Im Kern ist der WUD schon so eine Art Familientreffen der Hamburger UX-Szene. Allerdings immer ergänzt durch Studenten der HAW und Leute, die spontan dazu kommen. Wir haben im letzten Jahr wieder damit begonnen, ein festes Workshop- und Vortragsprogramm zu organisieren. Das macht es interessanter und planbarer. So ist es auch leichter, den Chef zu überzeugen, dass sich die Teilnahme lohnt:-)

Inzwischen kommen auch viele angestellte UXler. Digitale Services sind kein Agenturthema (mehr), sondern ganz klar Unternehmenssache. Agenturvertreter sind komischerweise sowieso dünn vertreten beim WUD. Das liegt entweder daran, dass wir sie nicht erreicht haben, oder dass kein Interesse besteht, oder keine Zeit da ist.

Beate: Also ist es noch kein „alter Hut“, wie man denken könnte?

Rolf: Nein, der einzige alte Hut beim WUD ist der Titel: Es geht eigentlich schon seit Jahren nicht mehr um Usability, sondern primär um das Nutzererlebnis, also die User Experience. An den Vortragseinreichungen kann man immer auch den Zeitgeist ablesen. Was treibt die Community um? Welche Themen stehen im Fokus?

Beate: Wie ist denn der sogenannte Zeitgeist der UX-Szene?

Wir bewegen uns von der Entdeckung der richtigen Arbeitsmethoden so langsam zum Kern des Problems vor. Wie passen denn neue Arbeitsmethoden wie Design Thinking, Agile und Co-Creation in die alten Strukturen? Was muss passieren, damit sie passen? Die „Szene“ hat es satt, dass trotz viel Engagement in den Projekten am Ende meist doch nur Sachen rauskommen, auf die man nicht stolz ist. Das soll sich ändern!

Beate: Das diesjährige Thema ist „Engagement“. Was bedeutet das für dich?

Rolf: Das Thema finde ich toll. Es öffnet den Raum jenseits des rein Fachlichen und verdeutlicht die Verantwortung, die jeder von uns hat. Egal, ob im Job oder privat. Es geht um Sinn und Bedeutung. Daher haben wir auch bei der Programmgestaltung Vorträge, die "Engagement" in irgendeiner Form zum Thema gemacht haben, bevorzugt aufgenommen. Insgesamt gab es viel positives Feedback. Das Thema hat einen Nerv getroffen.

Beate: eparo hat ja Teilnehmende und Mitarbeiter versucht zu bewegen, engagierte Projekte vorzustellen. Nicht alle haben das Angebot angenommen. Woran lag das wohl?

Rolf: Das ist eigentlich wie immer. Ich vermute mal, dass es einigen schlicht durchgerutscht ist. So etwas passiert mir auch leider oft genug. Die wichtigen Dinge werden von den dringenden Sachen gefressen.

Beate: Gibt es da irgendwelche Zwickmühlen? Ich meine, wenn jemand eine Tauschbörse für Konsumgüter und Dienstleistungen vorstellt zum Beispiel, torpediert das ja alle marktwirtschaftlichen Interessen, die aber die meisten unserer Kunden verfolgen. Wie passt das alles zusammen?

Rolf: Ich mache mir da keine großen Gedanken drüber. Auch Konzerne mit klaren wirtschaftlichen Interessen engagieren sich ja sozial und nehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung wahr. Ob das immer ernst gemeint ist, oder vielleicht auch teilweise marketing-getrieben, lasse ich mal offen. Ich persönlich fände es gut, wenn beim WUD auch Tauschbörsen vorgestellt werden. Auf die Diskussion mit unseren Kunden lasse ich es da gerne ankommen.

Beate: Was wünschst du dir denn für die Engagement-Projekte, die da vorgestellt werden?

Rolf: Ach, ich wär schon zufrieden, wenn die sozialen Projekte sichtbarer werden. Vielleicht findet sich auf dem Weg ja auch der ein oder andere Freiwillige, der Lust und Zeit hat, ein Projekt zu unterstützen.
Selbst wenn es nur einer ist, hätte sich die Aktion meiner Meinung nach schon gelohnt.

Beate: Wie positioniert sich denn eparo? Willst du auch „die Welt verbessern“? Oder zumindest das Biest Unternehmenskultur (wie Daniel Neuberger es in seinem Vortragstitel nennt) zähmen?

Rolf: Naja, ich möchte schon einiges verändern. Flache Hierarchien, Mitbestimmung, Transparenz – zugegeben, es sind große Ziele, die wir verfolgen. Ein Wochenende mit allen Mitarbeitern und ihren Familien im Mai war der Anfang. Jetzt arbeiten wir daran, dass wir unsere guten Vorsätze auch umsetzen. Die Entwicklung unserer Unternehmenskultur mit klaren Werten gehört dazu. Leider kommt das immer noch viel zu kurz im Arbeitsalltag. Was ich echt bedaure. Für den Job heißt es: Wenn wir es schaffen, digitale Services nutzbarer zu machen oder sogar erfreulich, dann würde mich das schon freuen. Mehr Zusammenarbeit und Kreativität und weniger Politik in den Projekten, das wäre schon etwas. Das sind auch die Beratungsprojekte, die ich am liebsten mache.

Beate: Welche Beratungsprojekte meinst du?

Rolf: Ich unterstütze Unternehmen und UX-Teams gerne dabei, die Organisation so aufzusetzen, dass wirklich tolle, innovative Services entstehen können. Das ist viel mehr als nur einen Prozess zu definieren. Es ist im Kern eine Änderung der Unternehmenskultur.

Beate: Auf welchen Vortrag und Workshop freust du dich am meisten?

Rolf: Ich wäre gerne bei der Session dabei, wo es um den Sinn von User-Tests geht. Da hätte ich eine sehr konträre Meinung zu den Vortragenden. Leider moderiere ich zum gleichen Zeitpunkt die andere Session. In Session 1 freue ich mich auf Daniel Neuberger und das Biest Unternehmenskultur. In der Session halte ich ja auch einen Vortrag. Mal sehen, vielleicht wird eine kleine, spontane Podiumsdiskussion daraus.

Beate: Worum geht es denn in deinem Vortrag?

Rolf: Ich will versuchen, etwas genauer zu zeigen, warum Projekte oft schiefgehen. Die Methoden und der Wille sind ja da. Im Unternehmen kommt dann aber irgendwann die Mauer zur Hierarchie und zum Macht- und Karrieredenken. Daran scheitern dann die ganzen ambitionierten Projekte.

Beate: Ich bin gespannt. Danke für das Gespräch, Rolf!

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