Warum Websites schlechter werden

In meinem Vortrag beim Online Marketing Forum habe ich für Usability Tests bei bestehenden Websites plädiert. Mit Websites ist es nämlich wie mit Neuwagen. Kaum hat man eine Site gelauncht (ist das eigentlich mittlerweile ein echtes deutsches Wort??), dann beginnt der schleichende Verfall.

Ich finde das Thema ziemlich wichtig und habe außerdem den Eindruck, dass es nicht genug Aufmerksamkeit bekommt. Daher jetzt noch mal ein paar Gedanken dazu.

Drei Gründe für den schleichenden Verfall

Problem Nr. 1 ist natürlich das gesunde Phlegma.

Es wird einfach nichts mehr gemacht. Es werden keine Funktionen ergänzt, die Inhalte bleiben über Monate oder Jahre unverändert und das Design wird erst recht nicht angefasst. Über die Gründe für das Nichtstun will ich jetzt garnicht nachdenken. Wichtiger sind die Konsequenzen: Die Erwartungen der Nutzer orientieren sich nämlich ganz stark am technisch Machbaren, modischen Trends und natürlich an der Konkurrenz. Dynamisch nachgeladene Inhalte, Lightboxen und Coverflow-Optik werden einfach erwartet. Ein olles Pop-up für Info-Texte wirkt da schnell angestaubt und langweilig.

Problem Nr. 2: Aktionismus

Wann kann auch zu viel machen. Werden zusätzliche Tools und Funktionen angeboten, neue Produktbereiche hinzugefügt oder Navigationspunkte ergänzt, dann leidet hierunter schnell die Übersichtlichkeit und natürlich die Usability.

Problem Nr. 3: Unkontrolliertes Content-Wachstum

Besonders bei großen Portalen mit verschiedenen Bereichen und mehreren Content-Verantwortlichen besteht immer die Gefahr, dass immer mehr Inhalte online gestellt werden. Oft wissen die Content-Verantwortlichen aber garnicht so genau, nach welcher Logik die Portalinhalte ursprünglich mal gegliedert waren. "Das können wir doch einfach unter 'Sonstiges' packen, da passt es doch gut hin..."

Auch hier leidet die Usability. Außerdem sind die Inhalte zwar vorhanden, werden aber im Zweifel nicht gefunden. Außerdem gehen schnell die ursprünglich mal vorhandene Gewichtung der Inhalte und die damit zusammenhängende Nutzerführung verloren.

Zwei Lösungen

Kein Problem sollte ohne den Versuch eines Lösungsansatzes bleiben. Gegen den schleichenden Verfall gibt es auf jeden Fall zwei Dinge, die es zu tun gilt:

Lösung 1: Wachsam sein

Klingt ganz einfach, ist es auch. Passiert aber trotzdem nur selten. Gemeint ist die regelmäßige Kontrolle und Überwachung der Qualität der Website. Dazu gehören natürlich Logfiles, Google Analytics und alle Daten, die Aufschluss darüber geben können, ob sich in der Nutzung der Websites Veränderungen ergeben. Sinken die Zugriffszahlen, steigen Prozessabbrüche oder verlassen die User die Website schneller. Daneben können aber auch andere Informationsquellen hilfreich sein. Beschwerden im Call-Center oder Beiträge in Blogs oder Foren.

All diese Dinge können als Frühwarnsysteme dienen, um zu sehen, ob es Handlungsbedarf gibt und wo möglicherweise konkrete Probleme bestehen.

Lösung 2: Testen und die User fragen

War ja klar, dass mir das Testen der Website wichtig ist. Schnelle Usability-Tests sind aber auch ein gutes Mittel, um mit wenig Aufwand festzustellen, wo User Probleme haben und ob sich die Erwartungen der User verändert haben.

Daher ist es eine gute Idee, vielleicht einmal im Jahr einen Usability-Test der Website zu machen. Die Website ist ja vielleicht unverändert, aber das muss nicht für die User gelten. Der Schwerpunkt des Tests liegt in dem Fall darauf, herauszufinden, was die Nutzer erwarten und was sie konkret stört.

Ein solcher Test ist sicherlich nicht repräsentativ. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass man echte Knackpunkte sehr schnell erkennt.

Nach dem Test kann man dann häufig kritische Punkte relativ leicht ändern. Wenn nicht, gibt es auf jeden Fall schon wertvollen Input für den nächsten Relaunch.

In meinem Vortrag beim Online Marketing Forum habe ich auch gleich ein paar Tipps gegeben, wie ein solcher Test mit Bordmitteln (d.h. ohne unsere Hilfe) durchgeführt werden kann.

Zum Schluss

Ich glaube nicht, dass man den schleichenden Verfall wirklich stoppen kann (irgendwann kommt immer der nächste Relaunch), aber man kann ihn verlangsamen und die Qualität der Website auf einem höheren Niveau halten. Es wundert mich, dass hier relativ wenig passiert. Vielleicht sind die Verantwortlichen ja komplett damit beschäftigt, neue Inhalte zu erstellen...