eparo goes Holacracy: Teil 4 - Der Kick-off

eparo goes Holacracy
Teil 1 - So fängt es an
Teil 2 - Die Suche nach dem Holacracy Coach
Teil 3 - Rollenfindung
Teil 4 - Der Kick-off

Vorbereitung

Während ich die Rollen vorbereitet habe, haben Chris und Andrea den Holacracy-Kick-off vorbereitet. Zum Start müssen ja die Rahmenbedingungen alle stehen, damit wir auch arbeiten können.

Holacracy Constitution

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In Holacracy sind ja in der „Constitution“ alle Entscheidungsprozesse und Abläufe bis ins Kleinste geregelt. Von der Wahl des Secretary bis zum Einladen von Gästen in ein Tactical Meeting. Um also mit Holacracy arbeiten zu können, muss jeder Mitspieler die Regeln kennen. Wie beim Fußball.
Wir haben daher die Constitution für jeden Kollegen einmal ausgedruckt und als Buch binden lassen.

Meeting Cards

holacracy-kick-off-tactical-meeting

Ein Herzstück von Holacracy sind die Governance und Tactical Meetings. Auch hierfür gibt es (kaum verwunderlich) ganz strikte Regeln, die man kennen muss, damit die Meetings funktionieren.
Es gibt hier sehr praktische Meeting Cards, wo die wichtigsten Regeln auf einer DIN A5 Pappkarte gut verständlich zusammengefasst sind.
Diese Meeting Cards haben wir auch gedruckt.

Rollen zum Anfassen

rollenkarten

Wir pflegen ja alle Rollen in Asana, indem wir Rollen als Tasks abbilden. Das funktioniert ganz gut, aber der gute Gesamtüberblick über Rollen und Kreise geht dabei verloren. Das kann Glasfrog (das „offizielle“ Holacracy-Tool von HolacracyOne) besser.
Da wir unsere Holacracy-Struktur möglichst anfassbar und haptisch darstellen wollen, haben wir uns überlegt, alle Rollen auf kleine Magnetkarten zu drucken und die auf ein großes, rollbares Whiteboard zu packen.
Also haben Andrea und Chris für alle Rollen die Magnetkarten vorbereitet. Sieht richtig gut aus. Die Namen der Rollen sind gedruckt, die Rolleninhaber schreiben wir mit Whiteboard-Markern auf die Karten. Dann kann man den Rolleninhaber leichter ändern. Holacracy lebt ja von der konstanten Änderung…

Kick-off Workshop

Zum Kick-off haben wir wieder Bernd als Coach und Moderator eingeladen. Das war auch ganz wichtig, da die Unsicherheiten bezüglich der Holacracy-Regeln schon noch recht groß ist.
Bernd hat daher erst mal eine kleine Holacracy-Wiederholung gemacht.

Vorstellung der Rollen

Am Whiteboard haben wir dann alle Rollen vorgestellt und die initiale Zuordnung erklärt. Hier gab es etwas Verwirrung, weil einige Kollegen dachten, dass sie sich ihre Rollen selber aussuchen können. Aber da sieht Holacracy eben vor, dass die erste Rollendefinition und die Festlegung der initialen Kreise vom Lead Link des Anchor Circle gemacht wird.
Erst nach dem Kick-off greifen dann die Holacracy-Regeln für die Governance der Strukturen und Rollen.
Faktisch war mit der Vorstellung der Rollen und Kreise Holacracy eingeführt.
Ab jetzt kann ich nur noch im Rahmen meiner Rollen Entscheidungen treffen. Sehr merkwürdiges Gefühl.

Das erste Governance-Meeting

Wir sind dann direkt ins kalte Wasser gesprungen – mit Bernd als Rettungsschwimmer – und haben unser erstes Governance-Meeting abgehalten.
Hierfür waren die Meeting-Karten sehr praktisch. Angefangen haben wir mit der Wahl von Facilitator und Secretary, streng nach Holacracy-Regeln.
Dann ging es gleich mit dem Sammeln von Tensions weiter. Hier wurde schnell klar, wie wichtig die klare Unterscheidung von operativen Tensions (die gehören nämlich ins Tactical-Meeting) und strukturellen Tensions ist.
Nächstes Learning: Ein guter Facilitator ist wichtig. Und zwar als Abbrecher von Diskussionen :-)
Gerade beim Governance-Meeting sind die Regeln für das Abarbeiten von Tensions ja super strikt. Damit hatten wir alle ziemliche Probleme:

  • Tensions sammeln: Was ist eigentlich eine Tension? Die Frage musste Bernd als Erstes klären. Ganz wichtig dabei: Tensions sind nichts Negatives. Im Gegenteil, eine Tension ist im Prinzip nur der Anlass für eine Verbesserung. Nach dieser Einleitung kamen auch gleich reihenweise Tensions auf die Liste. Nur als Stichpunkte für die Agenda. Hier musste Bernd dann auch gleich wieder eingreifen, wenn ein Tension-Geber anfing, seine Tension im Detail zu beschreiben. „Nur ein Stichwort, damit du gleich noch weisst, was deine Tension ist.“
    Hier muss der Secretary auf Asana Klavier spielen, da jede Tension direkt als Task dokumentiert wird.
  • Tensions der Reihe nach abarbeiten: Jetzt ging es der Reihe nach durch jede Tension. Der Secretary hat ja alle Tensions in Asana aufgenommen und kann sie jetzt einzeln „aufrufen“.
    Der Tension-Geber stellt seine Tension vor und idealerweise auch seinen Lösungsvorschlag. Hier kam dann wieder sofort unsere Unwissenheit zum Vorschein. Eigentlich waren alle Tensions eher operativ und hätten daher nicht ins Governance-Meeting gehört, sondern ins Tactical-Meeting. Gleich was gelernt :-)
  • Klärungsrunde: Nach der Vorstellung der Tension konnte jetzt jeder noch klärende Fragen stellen. Klingt einfach, aber man rutscht sehr schnell von reiner Klärung in Kritik oder Verbesserungsvorschläge. Hier musste Bernd dauernd eingreifen. Ganz wichtig, sonst ist man sofort wieder in der üblichen Diskussionsrunde und wird nie fertig.
  • Anmerkungsrunde: Jetzt darf jeder seine Meinung zur Tension und dem Lösungsvorschlag sagen. Alle haben hier den Tension-Geber direkt angesprochen und wollten – na was wohl – diskutieren. Wieder war Bernd gefragt. Diesmal mit „Der Tension-Geber antwortet nicht. Am besten adressiert ihr ihn auch garnicht, sondern sagt einfach nur, was euch zu dem Proposal einfällt."
  • Antwort des Tension-Gebers: Das war der einfachste Teil. Der Tension-Geber kann noch mal etwas klarstellen oder einfach bei seinem Vorschlag bleiben.
  • Einwandrunde: Vermutlich kann es hier auch noch mal hakelig werden. Bei uns ging es ziemlich glatt, d.h. ohne Einwände, durch. Lag vielleicht daran, dass alle ihre Rollen noch nicht so gut kannten, oder daran, dass die Themen noch eher einfach waren. Aber wer weiss, könnte sein, dass es einfach bleibt. Jede Entscheidung in Holacracy ist ja nur ein Testballon. Was nicht funktioniert, kann ja genauso einfach wieder geändert werden. Da muss man ja nicht mehr überall dagegen sein…

Insgesamt lief unser erstes Governance-Meeting schon unglaublich glatt ab und ging ziemlich schnell. Na gut, wir haben auch noch fünf Tensions erst mal aufgehört und gemeinsam Mittag gegessen.

Bring your own Lunch

holacracy bring you own lunch

Das gehört zwar nicht wirklich in einen Blog-Beitrag über Holacracy, aber what the hell:-)
Statt einfach Lunch-Catering zu bestellen, hat Beate zu „bring your own lunch“ eingeladen. Jeder hat was mitgebracht und dann wurde in der Küche kurz Salat geschnippelt und Mozzarella mit Tomaten vorbereitet. Mit Grüßen von Magis Mutter kamen noch Berge an türkischen Spinat-Schafskäse-Dingern (Keine Ahnung, wie die auf türkisch heissen…) auf den Tisch und als Gegenpol ein riesiger Nudelsalat mit Wurst von Lars. Lecker war’s.
Vermutlich wird das jetzt endlich zur Office-Tradition. Wir haben das gemeinsame Mittagessen ja bei Valsplat erlebt und wollten es da schon unbedingt bei uns einführen.

Das erste Tactical-Meeting

holacracy-kick-off-tactical-meeting-agenda

Nach dem Mittagessen dann das erste Tactical-Meeting. Bernd musste improvisieren, da er nicht gedacht hat, dass wir dazu überhaupt kommen.
Eigentlich mussten wir alle improvisieren, da wir ja noch nicht alle Projekte aufgesetzt haben und auch die Rollen ja noch ziemlich unbekannt sind. Im Wesentlichen haben wir also wieder das „Tensions-abarbeiten“ geübt:

  • Tensions sammeln: Das mit den Tensions hatten wir ja schon geübt. Hier wurde es jetzt schon richtig produktiv und ging ans Eingemachte. Wir hatten ganz schnell 15 oder mehr Tensions auf der Agenda. Einige eher banal, aber auch die große Abrechnung mit unserem CRM-Tool:-)
    Andrea als gewählte Secretary musste die Tensions dann alle wieder blitzschnell als Tasks in Asana sammeln.
  • Tension vorstellen: Der Tension-Geber erklärt seine Tension und erklärt, warum er die Tension hier vorstellt. Will er nur eine Information weitergeben? Braucht er eine Entscheidung? Muss jemand etwas tun? Sollte ein Projekt gestartet werden?
    Hier ist es jetzt wichtig, möglichst klar die Rolle anzusprechen, die von der Tension betroffen ist.
  • Über die Tension entscheiden: Jetzt können die betroffenen Rolleninhaber Stellung nehmen. Entweder mit einer einfachen Task „Ok, ich mache xyz.“, die dann auch gleich von Andrea als Task in Asana für den jeweiligen Rolleninhaber dokumentiert wird. Oder der Rolleninhaber legt bei größeren Themen ein Projekt an. Das war die Lösung für das CRM-Tool-Thema.
  • Tension auflösen: Der Facilitator fragt nun den Tension-Geber, ob mit den Lösungsvorschlägen die Tension weg ist. Wenn ja, wird die Tension in Asana auf „Completed“ gesetzt und es geht gleich zur nächsten Tension.
    Es sollte in jedem Fall etwas vereinbart werden, was dabei hilft, die Tension aufzulösen. Das hat bei unserem ersten Tactical auch super funktioniert.
    Insgesamt sind wir ganz schnell durch die 15 Tensions durchgekommen und alle hatten das Gefühl, dass wir in allen Fällen das Thema konstruktiv weitergebracht haben.

Der Tag danach

Es ist noch nicht so richtig durchgedrungen, aber wir haben mit dem Kick-off mal eben die alte Führungsstruktur abgeschafft.
Das wird bei vielen Kleinigkeiten deutlich. Ich werde immer noch automatisch angesprochen, dass ich irgendwas entscheiden soll. Aber ich kann jetzt ganz oft sagen „Ist nicht meine Rolle. Frag xyz. Ist ihre Rolle. Sie entscheidet das.“. Sehr cool. Natürlich fallen jetzt auch sofort alle Sachen auf, die in den Rollen noch nicht beschrieben sind. Zum Beispiel ist nicht klar, wer entscheidet, ob wir neue, hübsche Kaffeebecher fürs Team kaufen wollen. Für Büromaterial, Computer und Usability-Lab-Technik ist es geregelt. Für hübschen Schnickschnack nicht :-)
Das kommt gleich auf die Liste für's nächste Governance-Meeting.
Ich merke für mich, dass ich ab jetzt nicht mehr einfach entscheiden darf, sondern immer erst überlegen muss, ob ich überhaupt eine Rolle habe, in der ich die Entscheidung treffen darf.
Sehr spannend. Fortsetzung folgt…