Usability und User Experience (UX) sind zwei wesentliche Produktqualitäten, die heutzutage den Unterschied ausmachen. Über lange Zeit vernachlässigt, erreichen diese mittlerweile in Deutschland eine immer größere Sichtbarkeit. Nicht ganz unbeteiligt daran sind zahlreiche engagierte Designer, Psychologen, Informatiker und viele Weitere, die täglich ihre Fahne hochhalten und an Produkten für die Menschen und mit den Menschen arbeiten. Dabei stehen nicht die Technologien im Vordergrund, sondern die Menschen, die von Technologien unterstützt werden.
Um die bisherigen Errungenschaften und Erkenntnisse zu den Themen Usability und User Experience gemeinsam zu feiern sowie deren Bedeutung in die Welt zu kommunizieren und zu stärken, findet am 10. November 2016 der mittlerweile 12. World Usability Day (kurz: WUD) statt. Insgesamt gibt es an dem Tag weltweit rund 200 kostenfreie Veranstaltungen in mehr als 40 Ländern und auch Deutschland ist mit fast 20 Standorten wieder dabei. Der WUD in Deutschland ist eine Veranstaltung der German UPA (Berufsverband der Deutschen Usability und User Experience Professionals) und wird in Hamburg seit 2007 von eparo in Kooperation mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW Hamburg) organisiert.
Auf dem WUD in Hamburg möchten wir die Auswirkungen interaktiver Produkte und Systeme auf unsere Welt zusammen mit den Teilnehmern betrachten und diskutieren. Dazu wird es 11 spannende Vorträge und verschiedene Workshops geben. Das diesjährige Schwerpunktthema ist „Sustainable (Green) UX“ – doch was kann man darunter eigentlich verstehen? Wir haben unsere Besucher aus dem letzten Jahr gefragt und festgestellt, dass viele zum ersten Mal von Nachhaltigkeit in Verbindung mit UX hören und sich darunter nichts Konkretes vorstellen können. Daher haben wir Holger Fischer, den Vizepräsidenten der German UPA, gebeten, einmal genauer zu erläutern, was „Sustainable User Experience“ bedeutet:
Das Thema in diesem Jahr lautet „Sustainable User Experience“. Doch wie passt das Thema Nachhaltigkeit mit User Experience zusammen? Nachhaltigkeit und User Experience sind von Beginn an miteinander verflochten und verfolgen eigentlich die gleichen Ziele. Sie beide fokussieren das Produkt von der Schaffung bis zur Erfahrung für Menschen und schaffen das beste Erlebnis. Grüne und nachhaltige Produkte berücksichtigen Ziele wie Recycling, Wiederverwendung und schrittweise Verbesserung. Es geht darum, bestehende Produkte und Dienstleistungen zu nehmen und Wege der Entwicklung zu verfeinern, neu zu gestalten, sie effektiver, effizienter und wiederverwendbar in einer Weise zu machen, um das Leben eines jeden Menschen zu verbessern. Dabei lassen sich drei verschiedene Bereiche der Nachhaltigkeit betrachten, die miteinander einhergehen: Ökologische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Nachhaltigkeit.
Ökologische Nachhaltigkeit: Die ökologische Nachhaltigkeit thematisiert die Ressourcenschonung und lässt sich auch als „Green UX“ bezeichnen. Durch die Digitalisierung sämtlicher Lebens- und Geschäftsbereiche wird so beispielsweise versucht, das „papierlose Unternehmen“ zu realisieren, indem Rechnungen, Aufträge, Verträge und vieles Weitere nur noch digital erstellt, verschickt, verarbeitet und archiviert wird. Zudem wird ebenfalls das Thema Energie in den Fokus gerückt. Apps auf unserem Smartphone oder im Unternehmen helfen uns dabei unser Haus oder Unternehmensgebäude intelligent zu gestalten und so auf unseren Energieverbrauch zu achten.
Gesellschaftliche Nachhaltigkeit: Eng mit der ökologischen Nachhaltigkeit ist auch die gesellschaftliche Nachhaltigkeit verbunden. Ein wesentlicher Aspekt der UX ist unter anderem die intrinsische sowie extrinsische Motivation der Gesellschaft. UX kann hierbei helfen, die Einstellung jedes einzelnen zu prägen, ihnen das Thema der Nachhaltigkeit näher zu bringen sowie bewusst zu machen und deren Persönlichkeit mit zu entwickeln. Über ein entsprechendes Nutzererlebnis, bei dem sich Personen aktiv mit Ökologie und Ressourcenschonung auseinandersetzen, entstehen neue innovative Ideen. Mit Gleichgesinnten vernetzt, entsteht hier das Potential, dass diese Ideen eine nächste Ebene erreichen.
Wirtschaftliche Nachhaltigkeit: UX in Bezug auf die wirtschaftliche Nachhaltigkeit fokussiert unter anderem die Wiederverwertung von existierenden Konzepten, Produkten und Dienstleistungen. Bestehende Wege der Entwicklung lassen sich durch UX verfeinern, erneuern sowie effektiver, effizienter und wiederverwendbar gestalten. Eine entscheidende Ressource für Innovationen im Unternehmen sind deren Beschäftigte. Damit Innovation entstehen können, bedarf es entsprechender Freiräume und Unterstützungsmöglichkeiten. Durch angemessene und gebrauchstaugliche Apps und Systeme zur digitalen Assistenz der Beschäftigten, können diese sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und gezielt gefördert werden. Dabei lässt sich zudem auch Inklusion realisieren und eine soziale Gleichheit herstellen. Wirtschaftliche Nachhaltigkeit in der UX ist somit auch eng mit dem aktuellen Thema „Arbeit 4.0“ verknüpft.
Arbeit 4.0 ist ein Begriffskonstrukt, dass die zunehmenden direkten und indirekten Wechselwirkungen der Digitalisierung auf sämtliche Prozesse der Arbeitsgestaltung, Arbeitsorganisation und Arbeitsbedingungen sowie Aus- und Weiterbildung beschreibt. Neue Technologien verändern ganze Wertschöpfungsketten und generieren neue, digitale Geschäftsmodelle. Gleichzeitig verkürzen sie Software-Innovationszyklen und führen neue Mensch-System-Schnittstellen ein. Konsequenzen, die sich daraus ergeben, sind Veränderungen menschlicher Arbeitsabläufe. Menschen erhalten neue Verantwortungen und büßen gleichzeitig Wissen und Kompetenzen ein. Dabei entsteht die Frage, ob die Technologie oder der Mensch die Kontrolle hat und die Entscheidungen trifft. Arbeit 4.0 thematisiert unter anderem Aspekte der Selbstorganisation und diskutiert neue Arbeitsformen, bspw. agile Unternehmensstrukturen. UX unterstützt dabei die positiven Veränderungen der Arbeitswelt hin zu mehr Flexibilität, Zufriedenheit und einem besseren Miteinander. Dadurch wiederum werden Bedingungen geschaffen, die eine nachhaltige und ganzheitliche Entwicklung gebrauchstauglicher Produkte und Services fördern. Das heißt, dass sich die Nachhaltigkeit auch auf den UX-Prozess als solches beziehen kann. Projekte sollten nicht nur auf der inhaltlichen Ebene mit den Auftraggebern durchlebt, sondern diese auch während des gesamten Projektes eingebunden werden. Es geht demnach auch darum, beim Auftraggeber das Wissen über die UX-Vorgehensweise zu transferieren, um ihn beim Wandel der Organisationskultur bzw. Denkweisen im Unternehmen zu unterstützen.
Zusammenfassend ist „Sustainable UX“ also ein vielseitiges Thema, welches drei wesentliche Ziele verfolgt:
Ethik, Werte und Handeln stehen im Fokus. Usability und User Experience Professionals nehmen dabei verschiedene Rollen ein, damit diese ambitionierten Ziele erreicht werden können. Sie sind Erzieher und somit verantwortlich für Bildung durch formelles oder informelles Lernen. Über positive Nutzererlebnisse prägen sie die Denkweisen in unserer Gesellschaft. Als Innovator realisieren sie neue Ideen und zeigen, welchen Unterschied eine positive UX ausmachen kann. Bestes Beispiel hierfür ist Steve Jobs, der mit seinen Produkten das digitale Zeitalter der letzten Jahre entscheidend geprägt hat. In der Rolle des Disruptor rufen UX Professionals radikale Veränderungen hervor. Bekannte Beispiele hierfür sind Airbnb oder Uber. Hierbei sind gänzlich neue, digitale Geschäftsmodelle entstanden. Airbnb besitzt keine eigene Immobilie und Uber kein eigenes Taxi, aber beide haben den Zahn der Zeit getroffen und vernetzen Gleichgesinnte, die Wohn- oder Fahrgemeinschaften bilden möchten und einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.
Die Profession der Usability und User Experience Professionals ist vielseitig und multidisziplinär. Sie reduzieren Barrieren und bauen Brücken zu anderen Disziplinen. Es liegt an jedem Einzelnen, diese Verantwortung zu übernehmen, wenn wir unsere Welt ein Stückchen besser machen und genießen wollen.